Verdachtskündigung

Verdachtskündigung: Das "untergeschobene" Diebesgut

Arbeitsgericht Kassel, Urteil vom 28. Mai 2003 - 7 Ca 518/02 -

Ein scheinbar dringender Verdacht vermag eine Verdachtskündigung nicht zu rechtfertigen, wenn der Arbeitnehmer plausible Argumente dafür vorbringen kann, dass auch ein anderer Geschehensablauf in Betracht kommt.

Ein Fall, über den das Arbeitsgericht Kassel zu befinden hatte, zeigt, wie ein scheinbar dringender Verdacht am Ende in sich zusammenfallen kann.


Sachverhalt:

Bei einer Taschenkontrolle am Tor wird in der Tasche des Arbeitnehmers eine Rolle Paketklebeband im Wert von 3,- € vorgefunden. Es besteht kein Zweifel, dass dies dem Arbeitgeber gehört. Auch hat der Arbeitnehmer niemanden gefragt, ob er ein Klebeband mitnehmen darf. Ein scheinbar klarer Fall, der jedoch eine überraschende Wendung zu Gunsten des Arbeitnehmers nahm.

Der Arbeitnehmer trug zu seiner Entlastung vor, er habe seine Tasche auf dem Arbeitstisch abgelegt und im Anschluss an die Pause die Brotdose und die Seltersflasche zurück in die Tasche gelegt und diese zugemacht. Nach der Essenspause habe er dann noch einmal eine Raucherpause im Pausenraum eingelegt. Während der Raucherpause sei die Tasche unbeaufsichtigt geblieben.

Der Arbeitgeber hielt die Einlassung des Arbeitnehmers, der "große Unbekannte" habe die Kleberolle in seine Tasche gelegt, für eine Schutzbehauptung. Er kündigte wegen des Verdachts des versuchten Diebstahls fristlos.

Entscheidung des Gerichts:

Das Arbeitsgericht Kassel gab der Kündigungsschutzklage des Arbeitnehmers statt: Nach dem Vorbringen des Arbeitnehmers soll es in der Vergangenheit mehrfach vorgekommen sein, dass dem einen oder anderen Arbeitnehmer, der seine Tasche zugänglich abgestellt hatte, irgendein Gegenstand in die Tasche gelegt wurde. Dieser Sachverhalt wurde vom Betriebsrat bestätigt. Unter diesen Umständen fand das Gericht das Vorbringen des Arbeitnehmers nicht als "an den Haaren herbeigezogen". Aufgrund des detaillierten Vortrags des Arbeitnehmers hätte der Arbeitgeber sich nicht damit begnügen dürfen, das Vorbringen nur zu bestreiten. Es wäre vielmehr seine Sache gewesen, einen anderen Geschehensablauf darzulegen und zu beweisen. Das Gericht sah eine nachvollziehbare Wahrscheinlichkeit, dass das Klebeband dem Arbeitnehmer aus Gehässigkeit, Dummheit oder Unfug in die Tasche gesteckt wurde.

Das Gericht hielt es auch für nachvollziehbar, dass der Arbeitnehmer das Klebeband in seiner Tasche nicht bemerkt hat. Schließlich sei er am Werkstor nicht mit einem Drei-Kilo-Hammer gestellt worden. Dann wäre die Berufung des Arbeitnehmers auf den möglichen Dritten in der Tat eine fadenscheinige Schutzbehauptung gewesen. Eine so schwere Tasche mit einem derartigen Gewicht hätte, so das Gericht, die "Fragestellung zugelassen, ob der Arbeitnehmer mit einer solchen Einlassung, er hätte das nicht gemerkt, den Fragenden auf den Arm nehmen will".

Anmerkung:

Wenn Sie als Arbeitnehmer eine plausible Erklärung liefern, die den gegen Sie bestehenden Verdacht in einem gänzlich anderen Licht erscheinen lässt, genügt es nicht, wenn Ihr Arbeitgeber Ihr Vorbringen bloß als Schutzbehauptung abtut. Er muss sich mit Ihrer Einlassung auseinandersetzen und Ihr Vorbringen widerlegen, sonst hat er in dem Kündigungsschutzprozess gegen Sie keine Chance!



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