Fristlose Kündigung: Kenntnis des Kündigungsberechtigten ist maßgebend
Kündigung auch nach länger zurückliegender sexueller Belästigung zulässig
LAG Schleswig-Holstein, Urteil vom 10.11.2015 - 2 Sa 235/15 -
Belästigt ein Arbeitnehmer eine Kollegin sexuell, kann das auch dann eine fristlose Kündigung des langjährigen Arbeitsverhältnisses rechtfertigen, wenn der Vorfall schon länger (hier: über ein Jahr) zurückliegt, sich die betroffene Kollegin aber erst sehr viel später gegenüber dem Arbeitgeber offenbart.
Sachverhalt:
Der Kläger war Abteilungsleiter bei der Beklagten, einem Unternehmen
des Lebensmitteleinzelhandels beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis
bestand seit rund 30 Jahren. Die Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis
fristlos. Sie begründete die Kündigung mit dem Verzehr eines
Stückes Fleisch im Wert von
Nach Ausspruch der Kündigung erfuhr die Beklagte von einem Vorfall, der ein Jahr zurücklag. Damals schloss der Kläger die Tür zu einem Raum, in dem sich nur er und eine Mitarbeiterin befanden. Er drängte die Mitarbeiterin an die Wand, umarmte sie und strich ihr mit den Armen den Rücken hinab bis zum Gesäß. Die Mitarbeiterin erzählte den Vorfall zunächst nur der Marktleiterin, bat diese aber, über die Angelegenheit Stillschweigen zu bewahren. Erst nachdem die Beklagte das Arbeitsverhältnis des Klägers gekündigt hatte, offenbarte sich die Mitarbeiterin auch gegenüber der Geschäftsleitung. Die Beklagte berief sich in dem Kündigungsschutzprozess nunmehr auch auf dieses Vorkommnis.
Entscheidung des Gerichts:
Das LAG erachtete die fristlose Kündigung als rechtmäßig und wies die Kündigungsschutzklage ab. Nach durchgeführter Beweisaufnahme stand für das Gericht fest, dass die Einlassung des Klägers, es habe sich um eine zulässige Probe gehandelt, eine Schutzbehauptung war. In Anbetracht des langjährigen Arbeitsverhältnisses hätte dieses Vorkommnis aber nur eine fristgemäße Kündigung gerechtfertigt, keineswegs aber die fristlose Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Entscheidend wertete das Gericht den durch eine Beweisaufnahme erwiesenen sexuellen Übergriff des Klägers als wichtigen, die fristlose Kündigung rechtfertigenden Grund. Der Vorfall lag zwar zum Zeitpunkt der Kündigung schon ungefähr ein Jahr zurück. Da die Beklagte aber erst nach Ausspruch der Kündigung von diesem Vorkommnis Kenntnis erlangte, konnte sie nicht schneller reagieren.
Anmerkung:
Diese Entscheidung wurde in der Presse mehrfach besprochen. Dabei konnte der Eindruck entstehen, als sei der Umstand, dass die fristlose Kündigung mit einer sexuellen Belästigung begründet wurde, ausschlaggebend dafür gewesen, dass der Arbeitgeber noch nach so langer Zeit fristlos kündigen konnte. Dieser Eindruck ist unzutreffend: Eine fristlose Kündigung darf der Arbeitgeber nur innerhalb einer Ausschlussfrist von zwei Wochen aussprechen. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Arbeitgeber von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlangt hat. Maßgebend ist aber, dass auf Arbeitgeberseite eine Person von den Tatsachen Kenntnis erlangt, die kündigungsberechtigt ist (Firmeninhaber, Geschäftsführer, Personalleiter). Unmittelbar nach dem Vorfall hatte sich die belästigte Mitarbeiterin nur gegenüber der Marktleiterin offenbart. Diese war aber nicht kündigungsberechtigt. Aus diesem Grund begann die zweiwöchige Ausschlussfrist nicht zu laufen.
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