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Rechtsprechungsänderung: Arbeitsverweigerung für Arbeitnehmer jetzt wieder weniger gefährlich

Unbillige Weisungen des Arbeitgebers müssen nicht befolgt werden

BAG, Beschluss vom 14.09.2017 - 5 AS 7/17
BAG, Beschluss vom 14.06.2017 - 10 AZR 330/16

Ein Arbeitnehmer ist nicht an eine unbillige Weisung des Arbeitgebers gebunden, auch nicht vorläufig. Er muss nicht mehr - entgegen einem Urteil des BAG aus dem Jahr 2012 - die Gerichte für Arbeitssachen anrufen, bevor er sich über die Weisung hinwegsetzen darf.


Sachverhalt

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer Versetzung sowie damit in Zusammenhang stehende Ansprüche auf Vergütung und auf Entfernung zweier Abmahnungen aus der Personalakte. Im Kern geht es um die Berechtigung der Arbeitgeberin, den Arbeitnehmer - jedenfalls vorläufig - von Dortmund nach Berlin zu versetzen. Der Arbeitnehmer kann der Weisung nicht nach. Die Arbeitgeberin mahnte ihn deswegen zweimal ab und stellte die Zahlung der Vergütung irgendwann ein. Der Klage des Arbeitnehmers gaben Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht jeweils statt.

Die Entscheidungen der Gerichte

Der mit der Revision der Arbeitgeberin befasste 10. Senat stellte zunächst fest, dass die Weisung der Arbeitgeberin weder arbeitsvertraglichen noch tariflichen Bestimmungen widersprochen und auch nicht gegen das Maßregelungsverbot des § 612a BGB verstoßen hat. Auch der Betriebsrat war ordnungsgemäß beteiligt worden.

Die Weisung entsprach im konkreten Fall nach Auffassung des 10. Senats - wie auch der Vorinstanzen - nicht billigem Ermessen i. S. v. § 106 S. 1 GewO, § 315 BGB. Die Auslegung dieser Normen ergebe, dass der Arbeitnehmer nicht - auch nicht vorläufig - verpflichtet gewesen sei, der Weisung nachzukommen. Die Arbeitgeberin treffe das Risiko der Unwirksamkeit einer unbilligen Weisung; dieses könne sie nicht auf den Arbeitnehmer abwälzen.

Das Problem: Mit seiner Rechtsauffassung weicht der 10. Senat von einer Entscheidung des 5. Senats ab. Dieser hatte 2012 entschieden, dass ein Arbeitnehmer an eine Weisung des Arbeitgebers, die nicht aus sonstigen Gründen unwirksam ist, vorläufig gebunden ist, bis durch ein rechtskräftiges Urteil die Unverbindlichkeit der Leistungsbestimmung, also der Weisung, festgestellt wird (BAG, Urteil vom 02.02.2012 - 5 AZR 249/11). Nach dieser Entscheidung hätte der Arbeitnehmer der Weisung, seine Arbeitsleistung nicht mehr in Dortmund, sondern in Berlin zu erbringen, zunächst Folge leisten müssen, bis die Rechtswidrigkeit der Versetzung durch ein rechtskräftiges gerichtliches Urteil feststeht.

Nach dem Urteil des 5. Senats kommt es nicht darauf an, ob die Weisung unbillig ist. Der 10. Senat sah dies anders. Er wollte von der Entscheidung des 5. Senats abweichen und fragte daher nach § 45 Abs. 3 Satz 1 ArbGG an, ob der 5. Senat an seiner bisherigen Rechtsauffassung festhalten wolle. Bis zur Klärung dieser Frage setzte er das Verfahren entsprechend § 148 ZPO aus. Am 14.09.2017 entschied dann der 5. Senat, dass er an seiner Entscheidung aus dem Jahr 2012 nicht weiter festhält und eröffnete dem 10. Senat so die Möglichkeit, gemäß der von ihm geäußerten Rechtsauffassung zu entscheiden.

Diese Rechtsprechungsänderung war längst fällig

Das Urteil des 5. Senats aus dem Jahr 2012 war von Anfang an heftig kritisiert worden. Wesentlicher Kritikpunkt: Wäre der Arbeitnehmer verpflichtet, einer unbilligen Weisung zunächst bis zu einer gerichtlichen Entscheidung Folge zu leisten, könnte damit der Arbeitgeber aus der unbilligen Weisung einen Anspruch herleiten, nämlich den Anspruch auf Befolgung der Weisung, den er bei rechtmäßigem Verhalten nicht hätte. Dann hätte er nämlich die rechtswidrige Weisung gar nicht erst erteilt. Das Arbeitsverhältnis wird zwar von der Weisungsgebundenheit des Arbeitnehmers geprägt. Das bedeutet aber noch lange nicht, dass auch unbillige Weisungen befolgt werden müssen.

Die Nichtbefolgung einer Weisung bleibt dennoch riskant

Befolgt ein Arbeitnehmer eine Weisung nicht, weil er sie als unbillig ansieht, und erbringt er aus diesem Grund keine Arbeitsleistung, trägt er das Risiko, dass ein Gericht seine Einschätzung nicht teilt. Ihm drohen dann Abmahnung und gegebenenfalls die Kündigung des Arbeitsverhältnisses sowie auch der Verlust seines Vergütungsanspruchs. Umgekehrt trägt natürlich auch der Arbeitgeber das Risiko der Unwirksamkeit seiner Sanktionen (Abmahnung, Kündigung), falls sich seine Weisung als unbillig und damit unverbindlich herausstellt.


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