Betriebsratsanhörung Verfahrensfehler machen die Kündigung unwirksam
Das Anhörungsverfahren hält auch im zeitlichen Ablauf etliche Hürden parat, an denen der Arbeitgeber scheitern kann. Kündigt der Arbeitgeber, ohne dass das Anhörungsverfahren rechtswirksam abgeschlossen ist, ist die Kündigung unwirksam.
(1) Anhörungsfrist: Hat Ihr Arbeitgeber die Frist wirklich genau eingehalten?
(3) Fristverkürzung ist möglich - aber: War das Anhörungsverfahren wirklich schon abgeschlossen?
(1) Anhörungsfrist: Hat Ihr Arbeitgeber die Frist wirklich genau eingehalten
Anhörungsfrist nicht eingehalten - Kündigung unwirksam!
Der Betriebsrat hat bei der ordentlichen Kündigung eine Woche Zeit, sich darüber klar zu werden, wie er auf die Kündigungsabsicht des Arbeitgebers reagieren will. Bei der außerordentlichen Kündigung beträgt diese Frist drei Tage. Erst nach Ablauf dieser Frist ist das Anhörungsverfahren abgeschlossen. Kündigt der Arbeitgeber, bevor die Frist abgelaufen ist, ist die Kündigung unwirksam. Allein schon wegen eines solchen formalen Fehlers werden Sie also, wenn Sie gegen die Kündigung klagen, Ihren Prozess gewinnen!
Wie wird die Frist berechnet?
Die Wochenfrist (bzw. im Fall der außerordentlichen Kündigung die dreitägige Frist) beginnt am Tage nach Zugang der Mitteilung des Arbeitgebers beim Betriebsrat. Der Zugangstag ist nicht mitzurechnen. Hat der Arbeitgeber den Betriebsrat z.B. an einem Dienstag über seine Absicht, dem Arbeitnehmer ordentlich zu kündigen, in Kenntnis gesetzt und ihm die erforderlichen Informationen übermittelt, so endet die Anhörungsfrist am darauffolgenden Dienstag. Die Frist läuft auch erst um 24 Uhr ab und endet nicht etwa schon mit Dienstschluss. Bringt der Arbeitgeber das Kündigungsschreiben also schon vor 24 Uhr auf den Weg, können Sie die Kündigung mit guter Aussicht auf Erfolg angreifen.
Fällt der letzte Tag der Frist auf einen Samstag oder Sonntag, so endet die Frist erst am folgenden Montag um 24 Uhr. Ist der letzte Tag der Frist ein Feiertag, so darf der Arbeitgeber das Kündigungsschreiben nicht vor 24 Uhr des folgenden Werktags auf den Weg bringen. Es lohnt sich also für Sie, genau nachzurechnen!
Nachgereichte Informationen - Frist läuft erst mit vollständiger Unterrichtung des Betriebsrats
Unter bestimmten Umständen beginnt die vom Arbeitgeber einzuhaltende Frist von vorn zu laufen. Das ist dann der Fall, wenn der Arbeitgeber - sei es aus eigenem Antrieb, sei es auf Nachfrage des Betriebsrats - maßgebliche Informationen, auf die es entscheidend ankommt, nachreicht. In diesem Fall bebinnt die Frist erst ab dem Moment zu laufen, zu in welchem dem Betriebsrat die ergänzenden Informationen zugehen. Das wird von Arbeitgebern manchmal übersehen, sie gehen vom ursprünglichen Fristbeginn aus und kündigen zu früh.
Einvernehmliche Fristverlängerung möglich
Betriebsrat und Arbeitgeber ist es unbenommen, sich auf eine Verlängerung der Frist zu verständigen. In diesem Fall darf der Arbeitgeber auch erst nach Ablauf der Fristverlängerung kündigen. Einen Anspruch auf Fristverlängerung hat der Betriebsrat aber nur in Ausnahmefällen. Ein Ausnahmefall kommt in Betracht, wenn der Sachverhalt sehr komplex ist und vom Betriebsrat nicht erwartet werden kann, innerhalb der Frist zu einem Entschluss zu kommen. In einer solchen Konstellation kann die Weigerung des Arbeitgebers, einer Fristverlängerung zuzustimmen, treuwidrig sein.
Kein Anspruch des Arbeitgebers auf Fristverkürzung in Eilfällen
Der Betriebsrat kann die Frist voll ausschöpfen und mit seiner Stellungnahme bis zum letzten Tag des Fristablaufs warten. Dies gilt auch, wenn der Arbeitgeber eine schnelle Entscheidung des Betriebsrats benötigt, weil er sonst erst zu einem späteren Termin (Beendigungszeitpunkt) kündigen kann Der Arbeitgeber ist nicht befugt, die Frist für den Betriebsrat zu verkürzen. Wenn der Betriebsrat nicht bereit ist, der Bitte des Arbeitgebers um eine schnelle Entscheidung zu entsprechen, hat der Arbeitgeber schlicht Pech gehabt.
(2) Informationsübermittlung an ein nicht empfangsberechtigtes Betriebsratsmitglied: Hat die Anhörungsfrist überhaupt zu laufen begonnen?
Arbeitgeber muss sich an das zuständige Betriebsratsmitglied halten
Wenn die Anhörungsfrist nicht in Gang gesetzt wird, beginnt sie nicht zu laufen. Kündigt Ihr Arbeitgeber dennoch nach einer Woche (bzw. nach drei Tagen bei einer außerordentlichen Kündigung), ist die Kündigung verfrüht - und damit unwirksam. Die Situation, dass das Anhörungsverfahren nicht oder zumindest erst später in Gang gesetzt wird, kann sich ergeben wenn der Arbeitgeber sich mit seiner Informationsübermittlung an die falsche Person wendet. Zuständig für die Empfangnahme der Information ist der Betriebsratsvorsitzende bzw. im Fall von dessen Verhinderung sein Stellvertreter, gegebenenfalls der Vorsitzende eines dafür bestimmten Gremiums (z.B. Ausschuss zur Behandlung von Kündigungsangelegenheiten).
Wenn Ihr Arbeitgeber die Zuständigkeit nicht beachtet, kann dies zu Ihrem Vorteil sein
Wendet der Arbeitgeber sich an eine unzuständige Person bzw. ein unzuständiges Gremium, so wird die Anhörungsfrist nicht in Gang gesetzt. Dies gilt insbesondere in folgenden Fällen:
- Der stellvertretende Betriebsratsvorsitzende ist zur Entgegennahme
der Information nur berechtigt, wenn und solange der Betriebsratsvorsitzende
verhindert ist. Wendet sich also der Arbeitgeber an den Stellvertreter,
obgleich der Vorsitzende nicht verhindert ist, wird der Lauf der Anhörungsfrist
erst in Gang gesetzt, wenn der Stellvertreter die Information an den
Betriebsratsvorsitzenden weitergeleitet hat.
- Der Betriebsrat oder der für Kündigungsfragen eingesetzte Ausschuss kann ein bestimmtes Betriebsratsmitglied zur Entgegennahme der Arbeitgeber Informationen ermächtigen. Da es dem Betriebsrat unbenommen ist, wie er seine Vertretungsregelung im Einzelnen gestaltet, kann der Arbeitgeber nicht an dieser ihm mitgeteilten Regelung vorbei gleichwohl rechtswirksam eine Anhörung durch Zustellung beim Betriebsratsvorsitzenden bzw. dessen Stellvertreter einleiten. Allerdings muss der Arbeitgeber über diese Regelung informiert worden sein, sonst bleibt es bei der gesetzlichen Regelung.
- Wendet der Arbeitgeber sich an ein einfaches Betriebsratsmitglied, gilt dieses nur als Erklärungsbote des Arbeitgebers an den Betriebsratsvorsitzenden bzw. an das zuständige Betriebsratsmitglied. Mitteilungen an das unzuständige Betriebsratsmitglied werden nur und erst dann gegenüber dem Betriebsrat wirksam, wenn sie von ihm an das Empfangsberechtigte Betriebsratsmitglied weitergeleitet werden.
Das Wissen eines unzuständigen Betriebsratsmitglieds wird dem Betriebsrat nicht zugerechnet
Der Betriebsrat muss sich nur das Wissen eines zur Entgegennahme von Erklärungen berechtigten oder hierzu ausdrücklich ermächtigten Betriebsratsmitglieds zurechnen lassen. Wurde ein unzuständiges Betriebsratsmitglied vom Arbeitgeber über dessen Kündigungsabsicht informiert und hat dieses seine Kenntnisse nicht weitergegeben, ist die Anhörung mangelhaft.
Ihr Vorteil, wenn der Arbeitgeber sich über den Kenntnisstand des Betriebsrats irrt
Ein Irrtum des Arbeitgebers hinsichtlich des erforderlichen und aktuellen Kenntnisstandes des Betriebsrats geht zu seinen Lasten. Insbesondere trägt der Arbeitgeber die Darlegungs- und Beweislast für das Ausmaß des Kenntnisstands des Betriebsrats. Er muss also vollumfänglich beweisen, dass die Informationen, die er dem unzuständigen Betriebsratsmitglied übermittelt hat, an die zuständige Person weitergeleitet wurden.
(3) Fristverkürzung ist möglich - aber: War das Anhörungsverfahren wirklich schon abgeschlossen?
Vorzeitige Beendigung des Anhörungsverfahrens nur denkbar, wenn der Betriebsrat sich überhaupt äußert
Das Anhörungsverfahren ist abgeschlossen, wenn die Äußerungsfristen für den Betriebsrat gemäß § 102 Abs. 2 BetrVG abgelaufen sind, gleichgültig, ob er sich bis dahin geäußert hat oder nicht. Das Anhörungsverfahren kann aber schon beendet sein, bevor die Fristen (eine Woche bzw. drei Tage) abgelaufen sind. Voraussetzung dafür ist, dass der Betriebsrat eine das Verfahren abschließende Stellungnahme abgibt. Solange er schweigt, ist nicht auszuschließen, dass er bis zum Fristablauf noch eine Erklärung abgibt. In diesem Fall ist das Anhörungsverfahren erst abgeschlossen, wenn die Frist (einwöchige Frist bei der ordentlichen Kündigung und Frist von drei Tagen bei der außerordentlichen Kündigung) abgelaufen ist. Bis dahin muss der Arbeitgeber mit seiner Kündigung zuwarten. Anderenfalls wird das Arbeitsgericht die Kündigung bereits aus diesem Grund für unwirksam erklären.
Eine mögliche Reaktion des Betriebsrats auf die Mitteilung des Arbeitgebers kann nun darin bestehen, einfach nur zu schweigen. Selbst völliges Schweigen ist rechtlich zulässig. Der Betriebsrat ist nicht verpflichtet, eine Stellungnahme abzugeben.
Die Stellungnahme des Betriebsrats muss abschließend sein
Nimmt der Betriebsrat gegenüber dem Arbeitgeber zu dessen Kündigungsabsicht Stellung, endet das Anhörungsverfahren unabhängig davon, ob die Anhörungsfrist abgelaufen ist. Der Arbeitgeber darf dann kündigen. Allerdings kommt nicht jeder Äußerung des Betriebsrats eine derartige fristverkürzende Wirkung zu. Vielmehr gilt dies nur dann, wenn der Arbeitgeber aus der Mitteilung entnehmen kann, dass der Betriebsrat eine weitere Erörterung des Falles nicht mehr wünscht, es sich also um eine abschließende Stellungnahme des Betriebsrats handelt. Nur unter dieser Voraussetzung kann der Arbeitgeber vor Ablauf der Anhörungsfrist wirksam kündigen.
Erklärt der Betriebsrat, sich nicht äußern zu wollen, so gibt er damit zu erkennen, dass er von der Möglichkeit, den Entschluss des Arbeitgebers zu beeinflussen, keinen Gebrauch machen will. Darin liegt ebenfalls eine Stellungnahme, die sich auf die Kündigungsabsicht des Arbeitgebers bezieht und im Gegensatz zum bloßen Schweigen den Erklärungsinhalt besitzt, dass der Betriebsrat der beabsichtigten Kündigung weder zustimmen noch widersprechen oder Bedenken anmelden will. Deshalb besteht in einem solchen Fall kein Bedürfnis, die Fristen des § 102 Abs. 2 BetrVG auszuschöpfen. Vom Arbeitgeber den Ablauf dieser Fristen zu verlangen, wäre ein überflüssiger Formalismus.
Hat der Betriebsrat sich überhaupt mit der Kündigung befasst?
Der Betriebsrat muss zu der vom Arbeitgeber beabsichtigten Kündigung des Arbeitnehmers
- eine Sitzung anberaumen,
- sich dort mit der Kündigung - eventuell nach Anhörung des Arbeitnehmers - auseinandersetzen,
- einen Beschluss über seine Reaktion auf die Kündigungsabsicht fassen und
- dem Arbeitgeber das Ergebnis seiner Auffassung zur Kündigung mitteilen.
Es darf kein Zweifel bestehen, dass der Betriebsrat die Angelegenheit als abgeschlossen betrachtet
Wichtig: Auch wenn die dem Arbeitgeber gegenüber abgegebene Erklärung keine inhaltliche Stellungnahme enthält, muss ihr eindeutig zu entnehmen sein, dass der Betriebsrat die Angelegenheit als abgeschlossen ansieht. Erklärt der Betriebsrat dies nicht ausdrücklich, so ist der Inhalt seiner Stellungnahme durch Auslegung zu ermitteln. Hierbei ist vor allem der Übung des Betriebsrats maßgebliche Bedeutung beizumessen. So kann allein der Erklärung, er nehme die Kündigungsabsicht des Arbeitgebers "zur Kenntnis", die Bedeutung einer abschließenden Stellungnahme generell weder beigemessen noch abgesprochen werden. Es kommt vielmehr auf die Umstände des Falles an. Nur wenn der Betriebsrat mit dieser Erklärung üblicherweise zum Ausdruck bringt, dass er keine weitere Erörterung der Angelegenheit wünscht, kann der Arbeitgeber von einer abschließenden Stellungnahme des Betriebsrats ausgehen. Hinweis: Sie sollten also prüfen, wie der Betriebsrat sich üblicherweise verhält, wenn er eine Stellungnahme dieser Art abgibt.
Weiter >
Damit Sie Kündigungsschutz nach den Vorschriften des Kündigungsschutzgesetzes
genießen, muss Ihr Arbeitsverhältnis ohne Unterbrechung länger
als sechs Monate bestanden haben. Das bedeutet aber nicht, dass der
Arbeitgeber auch auf die Anhörung des Betriebsrats verzichten kann.
Die Anhörungspflicht
besteht ab dem ersten Tag des Arbeitsverhältnisses...
Inhaltsübersicht: Anhörung des Betriebsrats
- Tipps zur Anhörung des Betriebsrats - Übersicht
- Welche persönlichen Daten muss der Arbeitgeber dem Betriebsrat mitteilen?
- Ist Ihr Arbeitgeber seiner Informationspflicht vollumfänglich nachgekommen?
- Kam es zu Verfahrensfehlern im zeitlichen Ablauf des Anhörungsverfahrens?
- Anhörungspflicht ab dem ersten Tag des Arbeitsverhältnisses?
Ende des Kapitels: Anhörung des Betriebsrats
Zuletzt aktualisiert August 2023
Mit der Online-Rechtsberatung steht Ihnen eine einfache und praktische Möglichkeit zur Verfügung, von mir schnell und "unbürokratisch" eine verbindliche Rechtsauskunft zu Ihrem Problem zu erhalten. Falls es Ihr Wunsch ist, kann ich Sie auch bei Ihrer eventuellen arbeitsrechtlichen Auseinandersetzung - außergerichtlich oder gerichtlich - vertreten.
- Sie müssen keine Terminabsprachen treffen.
- Sie müssen nicht persönlich einen Rechtsanwalt aufsuchen.
- Die Online-Rechtsberatung ist unkompliziert.
Sie können aber auch anrufen, um einen Termin zu vereinbaren oder sich telefonisch beraten zu lassen:
Telefon ( 0 55 51 ) 97 61 - 0