Inhaltskontrolle eines formularmäßigen Änderungsvorbehalts
Nach § 308 Nr. 4 BGB ist die formularmäßige
Vereinbarung eines Rechts des Arbeitgebers, die versprochene
Vergütung zu ändern oder von ihr abzuweichen, unwirksam,
wenn nicht die Vereinbarung der Änderung oder Abweichung
unter Berücksichtigung der Interessen des Arbeitgebers
für den Arbeitnehmer zumutbar ist. Diese Regelung gilt
seit dem 1. Januar 2002. Auf Arbeitsverträge, die vor
dem 1. Januar 2002 begründet worden sind, findet sie
seit dem 1. Januar 2003 Anwendung.
Dem Kläger stand nach einem Formulararbeitsvertrag vom
9. Juli 1998 neben dem Tariflohn ua. eine außertarifliche
Zulage von zuletzt 227,72 Euro brutto und ein Fahrtkostenersatz
von 12,99 Euro arbeitstägig zu. Im Vertrag heißt
es, die Firma habe das Recht, "diese übertariflichen
Lohnbestandteile jederzeit unbeschränkt zu widerrufen".
Mit Schreiben vom 11. April 2003 widerrief die beklagte Arbeitgeberin
die genannten Leistungen gegenüber allen Arbeitnehmern
unter Berufung auf ihre schlechte wirtschaftliche Situation.
Das Bundesarbeitsgericht hat die Entscheidungen der Vorinstanzen,
der Widerruf sei rechts-unwirksam, nicht bestätigt:
Die Vereinbarung eines Widerrufsrechts ist nach Auffassung
des Senats für den Arbeitnehmer jedenfalls dann zumutbar
und deshalb wirksam, wenn ihm die tarifliche oder mindestens
die übliche Vergütung verbleibt und der Schutz gegenüber
Änderungskündigungen nicht umgangen wird. Das setzt
voraus, dass der Widerruf höchstens 25 bis 30 % der Gesamtvergütung
erfasst. Darüber hinaus darf der Widerruf nicht ohne
Grund erfolgen. Dies muss sich aus der vertraglichen Regelung
selbst ergeben, die zumindest auch die Art der Widerrufsgründe
(zB wirtschaftliche Gründe, Gründe im Verhalten
des Arbeitnehmers) benennen muss.
Diesen Mindestanforderungen wird der Vertrag vom 9. Juli
1998 nicht gerecht. Zwar erfasst der Widerruf weniger als
25 % der bisherigen Gesamtvergütung und es verbleibt
dem Kläger mindestens die tarifliche Vergütung.
Auch hat die Beklagte wirtschaftliche Gründe für
den Widerruf geltend gemacht, die die Vereinbarung eines Widerrufsvorbehalts
rechtfertigen können. Jedoch sind solche Gründe
vertraglich nicht benannt. Das führt zur Unwirksamkeit
der Widerrufsregelung.
Die unwirksame Vertragsklausel fällt bei dem hier vorliegenden
Altfall nicht ersatzlos weg. Da die Unwirksamkeit allein auf
förmlichen Anforderungen beruht, die die Parteien bei
Vertragsabschluss nicht kennen konnten, würde eine Bindung
der Arbeitgeberin an die vereinbarte Leistung ohne Widerrufsmöglichkeit
unverhältnismäßig in die Privatautonomie eingreifen.
Deshalb ist die entstandene Lücke durch eine ergänzende
Vertragsauslegung zu schließen. Es liegt nahe, dass
die Parteien bei Kenntnis der nachträglich in Kraft getretenen
gesetzlichen Anforderungen an die Widerrufsvereinbarung jedenfalls
die von der Beklagten geltend gemachten wirtschaftlichen Gründe
mit einbezogen hätten. Das Landesarbeitsgericht muss
deshalb in einer neuen Verhandlung das Vorliegen dieser vom
Kläger bestrittenen Gründe sowie die Einhaltung
billigen Ermessens durch die Beklagte prüfen.
Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 12. Januar 2005 - 5 AZR
364/04 -
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