Verfall des Rückzahlungsanspruchs bei überzahlter
Vergütung
Die Beklagte ist seit 1975 bei dem klagenden Land als Schreibkraft
beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis findet der
Bundesangestelltentarifvertrag (BAT) Anwendung. Nach dem Ende
des Erziehungsurlaubs der Beklagten vereinbarten die Parteien
die Herabsetzung der regelmäßigen wöchentlichen
Arbeitszeit von 38,5 auf 19,25 Stunden ab dem 11. Dezember
1990. Das teilten die Beschäftigungsdienststelle der
Beklagten und auch die Beklagte selbst dem Landesamt für
Besoldung und Versorgung mit. Trotz der verminderten Wochenarbeitszeit
erhielt die Beklagte die für entsprechende vollbeschäftigte
Angestellte festgelegte Vergütung. Die Beschäftigungsdienststelle
der Beklagten erkannte die irrtümliche Gehaltsüberzahlung
am 6. Oktober 2001 und unterrichtete am 6. Dezember 2001 das
für die Rückforderung zuständige Landesamt
für Besoldung. Dieses verlangte erstmals mit einem Schreiben
vom 27. Februar 2002 von der Beklagten die Rückzahlung
der überzahlten Vergütung.
Die Klage des Landes auf Rückzahlung der von Dezember
1990 bis August 2001 an die Beklagte ohne rechtlichen Grund
gezahlten Vergütung in Höhe von 113.932,97 Euro
hatte beim Bundesarbeitsgericht keinen Erfolg. Dem klagenden
Land war die verminderte Wochenarbeitszeit der Beklagten bekannt.
Sein Anspruch auf Rückzahlung der überzahlten Vergütung
ist deshalb im Anspruchszeitraum anteilig mit der jeweiligen
Gehaltszahlung am 15. des Kalendermonats entstanden und fällig
geworden. Mit der erstmaligen schriftlichen Geltendmachung
des Rückzahlungsanspruchs am 27. Februar 2002 hat das
klagende Land die tarifliche Ausschlussfrist von sechs Monaten
nach Fälligkeit des Anspruchs (§ 70 Satz 1 BAT)
für die vor September 2001 fällig gewordenen Rückzahlungsansprüche
nicht gewahrt. Der Sechste Senat konnte offen lassen, ob die
Beklagte erkannt hat, dass sie Vergütungszahlungen ohne
Rechtsgrund erhalten hat, und deshalb dem klagenden Land die
Gehaltsüberzahlungen anzeigen musste. Selbst wenn zu
Gunsten des klagenden Landes eine pflichtwidrig unterlassene
Anzeige unterstellt würde, wäre der Verfall des
Rückzahlungsanspruchs nach Treu und Glauben (§ 242
BGB) nicht ausgeschlossen. Teilt ein Arbeitnehmer seinem Arbeitgeber
Gehaltsüberzahlungen pflichtwidrig nicht mit und erhält
dieser davon anderweitig Kenntnis, beginnt eine tarifliche
Ausschlussfrist nicht neu zu laufen. Vielmehr fällt nach
ständiger Rechtsprechung die Einwendung einer rechtsmissbräuchlichen
Berufung auf die Ausschlussfrist bereits dann weg, wenn der
Arbeitgeber trotz Kenntnis des Überzahlungstatbestandes
längere Zeit von einer Geltendmachung seines Rückzahlungsanspruches
in der nach dem Tarifvertrag gebotenen Form absieht (vgl.
BAG 13. Februar 2003 8 AZR 236/02 AP BGB §
613a Nr. 244 = EzA TVG § 4 Ausschlussfristen Nr. 162
mwN). Am 27. Februar 2002 hatte das klagende Land bereits
mehrere Monate Kenntnis von der Gehaltsüberzahlung. Es
hat seinen Rückzahlungsanspruch damit nicht innerhalb
einer kurzen Frist geltend gemacht.
Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 10. März 2005 - 6 AZR
217/04 -
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