Kündigung bei nicht rechtzeitiger
Massenentlassungsanzeige
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BAG, Urteil vom 13.06.2006 - 6 AZR 198/06 -
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Mit Urteil vom 27. Januar 2005 hat der Europäische
Gerichtshof (EuGH) in der Rechtssache "Junk"
die Massenentlassungsrichtlinie 98/59/EG (MERL), die
durch die §§ 17 ff. KSchG in das deutsche
Arbeitsrecht umgesetzt worden ist, dahin ausgelegt,
dass die Kündigungserklärung des Arbeitgebers
als "Entlassung" im Sinne der MERL anzusehen
ist. Unter Aufgabe seiner bisherigen Rechtsprechung
hat der Zweite Senat des Bundesarbeitsgerichts mit Urteil
vom 23. März 2006 (- 2 AZR 343/05 - Pressemitteilung
Nr. 18/06) die Regelung des § 17 Abs. 1 Satz 1
KSchG richtlinienkonform ausgelegt und entschieden,
dass die Anzeige bei der Agentur für Arbeit rechtzeitig
vor Erklärung der Kündigungen erfolgen muss.
Zumindest bis zum Bekanntwerden der Entscheidung des
EuGH hätten die Arbeitgeber jedoch auf die ständige
Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts und die durchgängige
Verwaltungspraxis der Agenturen für Arbeit vertrauen
dürfen, wonach die Anzeige auch noch nach Erklärung
der Kündigungen erfolgen konnte.
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Zur zeitlichen Grenze des zu gewährenden Vertrauensschutzes
hat nun der Sechste Senat des Bundesarbeitsgerichts entschieden,
das schutzwürdige Vertrauen sei angesichts der noch im
Urteil des Zweiten Senats des Bundesarbeitsgerichts vom 18.
September 2003 (- 2 AZR 79/02 - BAGE 107, 318) vertretenen
Auffassung, § 17 KSchG könne nicht richtlinienkonform
ausgelegt werden, nicht bereits mit Bekanntwerden der Entscheidung
des EuGH entfallen. Allerdings sei das Vertrauen des Arbeitgebers
dann nicht mehr schutzwürdig, wenn die für die Anwendung
und Ausführung der §§ 17 ff. KSchG zuständige
Arbeitsverwaltung ihre frühere Rechtsauffassung geändert
hat und dies dem Arbeitgeber bekannt sein musste.
Die Klägerin war seit 1988 bei der Firma G. GmbH als
Druckvorlagenherstellerin beschäftigt. Über das
Vermögen der G. GmbH wurde am 1. März 2005 das Insolvenzverfahren
eröffnet und der Beklagte wurde zum Insolvenzverwalter
bestellt. Dieser vereinbarte am 18. März 2005 mit dem
Betriebsrat einen Interessensausgleich mit Namensliste. Gegenstand
war die Personalreduzierung um 13 Mitarbeiter von zu diesem
Zeitpunkt insgesamt 75 Beschäftigten. Die Klägerin
ist unter den zu kündigenden Arbeitnehmern in der Namensliste
aufgeführt. Ende März 2005 kündigte der Beklagte
die Arbeitsverhältnisse der dort namentlich benannten
Arbeitnehmer. Mit Schreiben vom 25. April 2005 erstattete
er die Massenentlassungsanzeige.
Das Arbeitsgericht hat der Kündigungsschutzklage stattgegeben.
Das Landesarbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Die Revision
der Klägerin hatte Erfolg. Sie führte zur Zurückverweisung
des Rechtsstreits an das Landesarbeitsgericht. Ob im Zeitpunkt
der Kündigung die Änderung der Rechtsauffassung
der Arbeitsverwaltung derart bekannt gegeben war, dass von
dem Beklagten Kenntnisnahme erwartet werden konnte, bedarf
noch der Aufklärung durch das Landesarbeitsgericht.
Vorinstanz: Landesarbeitsgericht Berlin, Urteil vom 20. Dezember
2005 - 12 Sa 1463/05 -
Pressemitteilung des BAG Nr. 49 v. 13. 7. 2006
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